Foto von Claus  
   
“Bauen ist Lust” oder “Freies Gestalten mit technischem Material aus Handwerk und Industrie”
 
(Projektwoche an der Grundschule am Nordsolling, Deensen)
 
2006 Unterstütze Claus Caninenberg als Projektleiter die Projektwoche “Bauen ist Lust” oder “Freies Gestalten mit technischem Material aus Handwerk und Industrie” mit 109 Schülerinnen und Schüler der 1. bis 4. Klasse und 7 Lehrkräften an der Grundschule am Nordsolling in Deensen.
 
Auszug aus der Dokumentation zur Projektwoche:
 
Vorstellung und Kurzbeschreibung:
 
Foto Kunst, Kunst, Kunst auf dem Schulhof - eine ganze Woche lang von 8 bis 12.30 Uhr - (kein anderes Fach außer evtl. Chor- und Theaterprobe!) - ohne Beurteilung, ohne Einmischung, ohne Besserwisserei, ohne Zeitdruck, ohne insgeheim schon ein klar definiertes Ziel oder Ergebnis vor (Lehrer-)Augen zu haben, ohne Leistungsdruck! Türme bauen oder Traumschlösser, Raumstationen, Objekte, Installationen ... Sich leiten lassen vom verfügbaren Material, sich Assoziationen hingeben, ihnen folgen, ohne befürchten zu müssen, ein Thema zu verfehlen. Dem nachgehen dürfen, wonach der innere Sinn sich ausrichtet, mich leitet. Tun dürfen, was sonst in Schule eher unmöglich bzw. unerlaubt ist - entspanntes Arbeiten in völliger Gestaltungsfreiheit.
 
Das einzige Kriterium ist Standfestigkeit, Stabilität.
 
Foto Für derlei lustvolle Aktivitäten braucht es anregendes, reizvolles Material, und das, davon ist Claus Caninenberg überzeugt, findet sich in unglaublicher Vielfalt und obendrein zumeist kostenlos als Verschnitt- oder auch als 4. Wahl-Ware in den Restekisten und Abfallcontainern von Handwerk und Industrie.
 
Die Materialien müssen für die Grundschulkinder in einen händelbaren Zustand gebracht werden, also auf passende Größe geschnitten und entgratet werden, so dass die Schüler sich nicht daran verletzen können.
 
Dann braucht es Grundplatten in der Größenordnung eines DIN A4 bis DIN A3 Blattes, die ebenfalls als Abfälle von Sperrholz- oder Spanplatten zu bekommen sind, auf denen sich etwas aufbauen lässt, und ein verbindendes Element, das die verschiedenen aufzubauenden Fundstücke mit- und unter-einander befestigt - in unserem Fall Weißleim. Es klebt glatte Materialteile fest aneinander, wenn man die Geduld aufbringt, die Teile für eine kurze Weile still zu halten. Das gilt für Holz ebenso, wie für Plexiglas oder Steinstücke mit ebenen Flächen oder Fensterrahmenverschnitte aus Aluminium. Weißleim hat den Vorteil, er ist ungiftig, abwaschbar und für Kinder problemlos händelbar.
 
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Projektauslöser/ Idee:
 
Foto Im Oktober 2005 wies uns Frau Wendland, die Kulturreferentin des Schulträgers, der Samtgemeinde Stadtoldendorf, auf das Projekt “Kinder zum Olymp” hin. Sie kannte Herrn Caninenberg bereits von anderen Projekten im Landkreis und brachte seinen Namen ins Spiel, der einigen von uns Lehrern als bekannter Name der Kunstszene des Landkreises geläufig war. Außerdem wussten wir, dass er der Großvater eines unserer Schüler ist.
 
Spontan waren wir zunächst eher abgeneigt, da wir ohnehin jedes Jahr bis zum Anschlag ausgelastet sind mit AGs und Theater- und Chorprojekten zu Weihnachten und zum Schuljahresende. Doch es gab auch interessierte Stimmen, und schließlich waren wir es uns als “Volle Halbtagsschule” schuldig, an einem solchen Wettbewerb teilzunehmen.
 
Unsere Schulleiterin, Frau Haasper, hat daraufhin den Kontakt zu Herrn Caninenberg hergestellt. Eine Idee gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht, allenfalls die vage Vorstellung, dass wir uns mit der Person Claus Caninenberg auf ein “Kunst”-Projekt im Rahmen einer Kunst-AG einlassen würden.
 
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Besonderheiten:
 
MIT GROßEM ERNST GEGENÜBER KLEINEN DINGEN
  • Individuelle Selbstentfaltung statt vergleichbarer Leistung: Uns kam es nicht darauf an, dass die Objekte vergleichbar und zensierbar sein sollten. Wir wollten den kreativen Geist der Schüler nicht reglementieren sondern befreien.
     
  • Assoziation zu Olymp: Der Künstler bemerkt, der Schulhof hat die passende Topologie zu dem Begriff “Olymp”: Aus der ebenen, in der Mitte asphaltierten, außen herum begrünten Fläche des Schulhofs erhebt sich am äußersten Rande eine von Büschen und Bäumen gesäumte Anhöhe, auf der die Schüler aus dem Horizont heraustreten werden, erst recht, wenn man die Kamera weiter unten aufstellt, so dass nur noch der Himmel den Hintergrund bildet. Aus dem Horizont, aus der Masse hervortreten, das ist hier von den topologischen aber auch von den sozialpsychologischen Gegebenheiten her möglich, sich selbst zeigen in dem, was “ich” geschaffen und gestaltet habe, was der künstlerische Genius in mir, was meine Lust an Form und Gestaltung mich hat tun, hat zusammenbauen lassen - und dazu stehen vor den Augen der gesamten Schulgemeinde unter dem Schutz des Künstlers und der Lehrer.
     
  • Und dann den Auslöser selbst betätigen! Eben nicht abgelichtet und eingefangen werden von anderen, die sagen mögen: “Halt das mal höher!”, “Lächle!”, “Das war noch nicht gut!” ... Nein. Foto Per Selbstauslöser sich selbst auslösen und dann das annehmen, was ist! Sichten und sehen, was ist. Das ist ja heute in unserer schnelllebigen Zeit das Schwerste: Innezuhalten und überhaupt wahrzunehmen, dessen gewahr zu werden, was da ist. - Den eigenen Stolz wahrnehmen oder die eigene Schüchternheit, auf jeden Fall aber auch des Produktes gewahr werden und der Tatsache, dass dieses Produkt in aller Öffentlichkeit gewürdigt wird - nämlich von einem Künstler und vor der gesamten Schulgemeinde. Gewahr werden auch, dass diese Würdigung meines selbst geschaffenen Werkes nicht in Form einer Note, einer Zensur stattfindet und damit in die Ebene von Vergleichbarkeit herabgezogen wird, sondern in dem Interesse der Zuschauer daran.
     
  • Individuelle offiziell versandte Bildkarte als Einladung zum Schulfest, wo Eltern, Verwandte, Honoratioren und Interessierte Gelegenheit erhielten, die Arbeiten aller Schüler zu sehen und zu begutachten. Auch dies ein pädagogischer Akt, ein Fingerzeig - für die Eltern, damit auch der letzte Elternteil bemerkt, dass sein Kind jenseits der Leistungen, die Schule normalerweise einfordert, ganz individuelle Leistungen erbringt, die schätzenswert sind, - aber auch ein Fingerzeig für uns Lehrer, wie wichtig und wohltuend es ist, Freiräume zu haben, in denen Gestaltungsfreiheit genossen und genutzt werden kann, wo dann etwas stattfinden kann, das wir Kunst nennen: etwas völlig Unvorhergesehenes, Individuelles, dem Moment Entspringendes, keinesfalls Wiederholbares.
     
  • Eine Woche lang täglich 5 Stunden “Kunst” ohne den Anflug von Langeweile! Das war möglich durch die Persönlichkeit des Projektleiters Claus Caninenberg, der es sich nicht nehmen ließ, die Kinder einmal am Tag zu einer großen Runde zusammenzuholen und sie einzuweisen in den nächsten Aufgabenschritt. Dabei holte er gerne weit aus und erzählte verschiedene Schwanks aus seinem höchst interessanten Berufsleben, das ihn auf verschiedene Kontinente geführt hatte.
     
  • Aus einem Projekt für eine Klasse wurde ein Projekt für die ganze Schule - und es funktionierte hervorragend.
     
  • Künstlerisches Schaffen draußen auf dem Schulhof bei Sonnenschein und klassischer Musik - beglückende Atmosphäre
     
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Anekdotisches:
 
Foto Ich war ja bereits am ersten Tag total beeindruckt, wie alles lief. Die Schüler wurden eingewiesen, und von dem Moment an war das Projekt ein Selbstläufer.
Als die ersten Objekte Kontur gewannen, wollte ich es kaum glauben: Da entstanden Kunstobjekte neben regelrechter Architektur. Die Kinder hatten auf Anhieb entdeckt, welche immensen Möglichkeiten das vorbereitete Material bot. Puppenstuben, Schiffe, Hochseilgärten, kleine Stadtanlagen mit Türmchen und Rundbögen ... Ich war so dankbar, das miterleben zu dürfen, Schule auch einmal so erleben zu dürfen, ich ging nicht davon aus, dass dies noch steigerungsfähig sei.
 
Foto Am dritten Tag - alle Beteiligten (insbesondere wir Lehrer) hatten sich inzwischen entspannt, das gute Wetter auf dem Schulhof tat sein Übriges - kam das Projekt so richtig in Fahrt: Nach dem Schliff nun die Farbe. In Plastikbechern wurde Farbe ausgegeben und über den Schulhof an die verschiedenen Arbeitsplätze getragen. Der ganze Schulhof geriet noch mehr als ohnehin schon in Bewegung, und jetzt wurden wir mit Trompetenklängen beschallt. Mir standen Tränen in den Augen, als ich sah, wie eine Schülerin zwei Stöckchen in Händen hielt und zu der Musik dirigierte.
 
“WAS DIE KINDER GESCHAFFEN HABEN, WAR VORHER NICHT DA.” (Claus Caninenberg)
 
Foto Im Nachhinein ist offensichtlich, dass eine “geheime” Kommunikation stattgefunden hat zwischen dem Material und den Schülern. Das Material mag gesprochen haben: “Nimm mich mit! Du kannst mich gebrauchen.” Der Schüler mag erwidert haben: “Hm, mit dir weiß ich jetzt grad' nichts anfangen.” Oder: “Oh, du schöne rote Scheibe, du sollst das Dach für meine Puppenstube sein.”
 
Diese Kommunikation mag sehr verschiedene Züge und Nuancen und Qualitäten gehabt haben, wir haben keine Worte, Klänge, Töne gehört, noch kommunikative Zeichen übermittelt gesehen, doch wer die Objekte anschaut, dem übermitteln sich spontan die Botschaften, die zwischen Material und Künstler geflossen sind. Insofern ist hier genau das eingetreten, was C.C. zwischendrin schon immer mal angedeutet hat. Etwas Unsichtbares würde sichtbar gemacht werden, etwas Immaterielles werde in Materie überführt werden, etwas Geistiges werde in Form gegossen werden.
 
Foto Am Ende der Woche sagte eine Mutter: “Ich habe den Alex noch nie so entspannt und so voller Elan von der Schule kommen sehen.”
 
Eine Lehrerin: “Mittags mussten wir die Schüler zum Bus schicken. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass der Schultag schon um war. In den Pausen wurde sowieso zumeist weitergearbeitet, wie es gerade kam. Nur wir Lehrer brauchten unsere Pause, um uns mal zurückzuziehen und unseren Kaffee genießen zu können.”
 
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